Mit "Black Phone 2" führt Scott Derrickson die Geschichte um "Finney" und den "Greifer" in eine neue Richtung. Zwischen eisiger Winterlandschaft, übersinnlichen Visionen und schmerzhaften Familiengeheimnissen entfacht sich ein atmosphärischer Horrorfilm, der psychologische Tiefe und klassische Slasher-Elemente zu einem intensiven, düsteren und emotional vielschichtigen Erlebnis vereint.
Vier Jahre nach den Ereignissen des ersten Teils hat Finney (Mason Thames) den Schrecken seiner Kindheit noch immer nicht verarbeitet. Die traumatischen Erinnerungen an den Greifer (Ethan Hawke) verfolgen ihn bis in seine Träume. Seine Schwester Gwen (Madeleine McGraw), die über übersinnliche Fähigkeiten verfügt, beginnt erneut, Visionen zu haben, Albträume in denen der erneut gefährliche Greifer in einem abgelegenen Wintercamp auftaucht. Gemeinsam mit Finney begibt sie sich auf die Suche nach der Wahrheit und stößt dabei auf eine Familiengeschichte, die tiefer reicht, als beide geahnt hätten.
Schon die Eröffnungssequenzen zeigen, dass "Black Phone 2" einen anderen Weg einschlägt als sein Vorgänger. Derrickson verlagert den Schauplatz in eine verschneite einsame Landschaft, die visuell ebenso eindrucksvoll wie bedrückend wirkt. Die Kamera arbeitet häufig mit Retrofiltern, die den Look der alten VHS-Aufnahmen nachahmen und dem Film eine unheimliche Nostalgie verleihen. Besonders die Traumsequenzen, in denen Realität und Fantasie verschwimmen, sind kunstvoll inszeniert und erzeugen eine dichte, fast greifbare Spannung. Der Kontrast zwischen der weißen, friedlichen Schneelandschaft und der brutalen Gewalt, die darin stattfindet, verstärkt die emotionale Wirkung erheblich.
Während der Vorgänger vor allem von Finneys Gefangenschaft und seinem Überlebenskampf lebte, konzentriert sich die Fortsetzung stärker auf die Figurenentwicklung. Gwen rückt dabei stärker in den Mittelpunkt der Handlung. Madeleine McGraw (Gwen) überzeugt dabei mit einer intensiven Darstellung, die zwischen Verletzlichkeit, Entschlossenheit und Furcht pendelt. Mason Thames (Finney) tritt etwas in den Hintergrund, was der Dynamik zwischen Bruder und Schwester jedoch guttut. Ethan Hawke kehrt als Greifer in einer neuen, verstörend eindrucksvollen Form zurück. Seine eisige Maske, nun von Frost überzogen, ist Symbol für das Erstarren der Vergangenheit, die nicht loslässt.
Der Film nimmt sich viel Zeit, seine Geschichte zu entfalten. Die 114 Minuten Laufzeit wirken stellenweise länger, da "Black Phone 2" bewusst gemächlich erzählt wird. Derrickson setzt weniger auf permanente Schocks, sondern auf psychologische Spannung und emotionale Zwischentöne. Dialoge über Schuld, Verdrängung und familiäre Bindung verleihen dem Film eine ungewohnte Tiefe. Gleichzeitig sorgt der gezielte Einsatz von Soundeffekten und Musik dafür, dass die Grundspannung nie abreißt. Jedes Echo auf dem gefrorenen See trägt zur bedrückenden Atmosphäre bei.
Nebenfiguren wie Campleiter Mando (Demián Bichir) oder dessen Tochter Mustang (Arianna Rivas) ergänzen die Geschichte, ohne sie zu überfrachten. Sie wirken wie Spiegelbilder der Hauptfiguren, Menschen, die versuchen, ihre Vergangenheit zu verstehen, während sie von ihr heimgesucht werden. Auch Terrence (Jeremy Davies), der Vater von Finney und Gwen, erhält hier mehr Raum, wodurch das Thema familiärer Schuld noch stärker in den Vordergrund rückt.
Visuell zählt "Black Phone 2" zu den beeindruckendsten Horrorfilmen der letzten Jahre. Die verschneiten Schauplätze, das Zusammenspiel aus Licht, Schatten und Kälte sowie die eindrucksvollen Traumsequenzen schaffen ein starkes, unverwechselbares Bild. Besonders der Übergang zwischen Traum und Realität gelingt Derrickson meisterhaft. Eine der stärksten Szenen spielt auf einem zugefrorenen See, wo Finney und der Greifer in einem beinahe lautlosen Showdown aufeinandertreffen, eine Sequenz, die sowohl visuell als auch emotional unter die Haut geht.
Auch wenn der Film sich erzählerisch viel vornimmt und einige Nebenhandlungen, wie die aufkeimende Romanze zwischen Gwen und Ernesto (Miguel Mora), noch nicht vollständig ausgereift sind, bleibt das Gesamtbild stimmig. Derrickson wagt es, das Black Phone-Universum zu erweitern, ohne in reine Wiederholung zu verfallen. Stattdessen entsteht eine Mischung aus Coming-of-Age-Drama, übernatürlichem Mysterythriller und psychologischem Familiendrama, getragen von starken Darstellern, präziser Bildsprache und einer dichten Klangkulisse.
Das Finale ist ebenso schockierend wie konsequent. Ohne auf klassische Horror-Klischees zurückzugreifen, findet der Film zu einem emotionalen Abschluss, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwebt. Gwen muss sich nicht nur dem Greifer stellen, sondern auch den Schatten ihrer Familie, eine Konfrontation, die ebenso tragisch wie befreiend wirkt.
"Black Phone 2" ist kein lauter Horrorfilm, sondern ein atmosphärisch dichter Albtraum über Verlust, Schuld und den Versuch, Frieden zu finden. Wer eine reine Fortsetzung des ersten Teils erwartet, wird überrascht sein, denn Regisseur Scott Derrickson liefert einen eigenständigen, visuell starken Film, der mehr auf Gefühl, Atmosphäre und psychologische Spannung setzt als auf bloße Schocks.
Kurzfazit: "Black Phone 2" ist ein intensives, visuell starkes Horror-Drama über Traumata, Familie und Vergangenheitsbewältigung. Scott Derrickson gelingt eine mutige, atmosphärisch eindrucksvolle Fortsetzung, die sich von typischen Genreformeln löst und durch emotionale Tiefe, starke Performances und ein eindrucksvolles Finale überzeugt.
"Black Phone 2" startet ab dem 23. Oktober 2025 in den deutschen Kinos

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