"Caught Stealing" - Zwischen Brutalität und schwarzem Humor


"Caught Stealing" markiert Darren Aronofskys kraftvolle Rückkehr in ein raues, pulsierendes New York voller Gefahr, Chaos und schwelender Spannung. Der Film verbindet Krimikomödie, Neo-Noir und Gangsterthriller zu einem explosiven Mix, getragen von Aronofskys präziser Inszenierung und einem intensiven Austin Butler, der zwischen Humor, Gewalt und innerer Zerreißprobe gefangen ist. Düster, bitter-komisch und atmosphärisch dicht, ist "Caught Stealing" ein fiebriger Rausch, der bis zur letzten Minute fesselt.

 

"Caught Stealing" eröffnet mit einem musikalischen Paukenschlag: Ein übersteuerter, wuchtiger Soundtrack legt sich wie ein Filter über die Lower East Side des Jahres 1998. Die Kamera taucht in eine Welt ein, die gleichzeitig dreckig, lebendig und detailverliebt ist. Aronofsky inszeniert die ersten Minuten mit viel Atmosphäre und ästhetischer Konsequenz: körnige Bilder, schnelle Schnitte, auffällige Setdesigns, sorgfältig komponierte Shots. Schon hier spürt man, wie sehr der Film von seiner Umgebung lebt. New York als vibrierende Bühne eines Mannes, der längst den Boden unter den Füßen verloren hat.

In dieser Nacht lernen wir Hank Thompson (Austin Butler) kennen, Barkeeper und gestrandeter Ex-Baseballer, dessen Leben von Selbstverleugnung und verpassten Chancen geprägt ist. Der Tonfall wirkt zu Beginn überraschend locker. Die Dialoge mit Yvonne (Zoë Kravitz), seiner engen Vertrauten und emotionalen Stütze, sind warm, humorvoll und zeigen eine echte, natürliche Chemie zwischen den Figuren. Aronofsky lässt seine Geschichte bewusst leicht starten, ein Spiel mit Erwartungen, das er bald bricht.

Hinter der nächsten Tür wartet Russ (Matt Smith), Hanks Nachbar und exzentrischer Punker, der ihn bittet, auf seine Katze aufzupassen. Ein scheinbar harmloser Gefallen, der wie ein klassischer Noir-Auslöser wirkt: Alltäglichkeit, die in Chaos umschlägt. Nur wenig später eskaliert die Situation: Zwei Mitglieder der russischen Mafia erscheinen vor Russ' Wohnung, verlangen nach ihm und schlagen Hank erbarmungslos zusammen. Die Szene ist hart, roh, schmerzhaft, frei von Ironie. Aronofsky entzieht der Leichtigkeit abrupt die Grundlage und setzt damit den Takt, der den Film fortan bestimmt: Humor und Gewalt liegen dicht nebeneinander, berühren sich, widersprechen sich, verstärken sich gegenseitig.

Im Krankenhaus kollidiert Hanks Gegenwart mit seiner Vergangenheit. In Albträumen erfahren wir von seiner gescheiterten Baseballkarriere, dem selbstverschuldeten Unfall und dem Selbsthass, der ihn seitdem begleitet. Die Bilder sind fragmentiert, brüchig, wie Erinnerungen, die nicht heilen wollen. Gleichzeitig bleibt der Film zugänglich: Hank ist weder Überfigur noch tragischer Held, sondern ein Mann, der schlicht überfordert ist, nachdem ihm erneut alles zu entgleiten droht.

Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus wird die Beziehung zu Yvonne zum emotionalen Kern des Films. Sie ist warmherzig, schlagfertig und zugleich die einzige Person, die Hank wirklich erdet. Als sie ihm offenbart, dass er nach einer Notoperation eine Niere verloren hat und auf Alkohol verzichten muss, wird deutlich, wie wenig Kontrolle er über sein Leben hat und wie sehr er auf andere angewiesen ist. Gleichzeitig zeigt sich die Tiefe ihrer Beziehung: Humor, Fürsorge und gegenseitiges Vertrauen verbinden die beiden, selbst inmitten der wachsenden Bedrohungen, die Hank verfolgen.

Doch Ruhe entsteht keine. Weitere Männer tauchen auf, durchsuchen Russ' Wohnung, bedrohen Hank, werden immer aggressiver. Ein Anruf bei der Polizei führt zu einem Verhör durch Polizistin Roman (Regina King), dessen Humor in scharfem Kontrast zur Situation steht. Diese Momente fügen eine surreale Leichtigkeit in die düsteren Szenen ein, ohne sie zu banalisieren, und unterstreichen die Spannung zwischen Bedrohung und komödiantischer Überzeichnung.

Im Katzenklo entdeckt Hank schließlich einen mysteriösen Schlüssel. Ein kleiner Gegenstand, der die Jagd erst entfacht. Seine Bedeutung bleibt lange unklar, doch der Film zeigt deutlich: Jeder will ihn, niemand erklärt ihn. Stattdessen türmen sich Bedrohungen, Verfolger und Fragen auf. Der Ton gleitet zunehmend in Richtung Gangsterfarce, bleibt dabei aber stets von echter Brutalität durchzogen und hält den Zuschauer zwischen Staunen und Anspannung gefangen.

Der Konflikt eskaliert, als Hank nach einem Streit mit Yvonne betrunken nach Hause kommt und erneut mit Gewalt konfrontiert wird. Die Szenen sind ungeschönt, wodurch die komödiantische Oberfläche stark reduziert wird. Emotional gewinnt die Beziehung zu Yvonne weiter an Gewicht: Sie wird mehr und mehr zur moralischen Leitfigur des Geschehens, zu Hanks Gegenpol und zu einer stabilen Verbindung inmitten des Chaos. Dadurch spürt man besonders die wachsende Bedrohnung und die Anspannung, die Hank umgibt.

Die darauf folgende Jagd durch Chinatown, über Brücken, Seitenstraße und Hinterhöfe gehört zu den stärksten Sequenzen des Films. Die Inszenierung zeigt ein bemerkenswertes Gespür für Tempo, Rhythmus und urbane Dynamik, jede Bewegung der Kamera zieht den Zuschauer mitten ins Geschehen. Die Action ist intensiv, visuell markant und niemals Selbstzweck. Jeder Schlag, jeder Schuss und jede Auseinandersetzung vermittelt spürbare Konsequenzen. Gleichzeitig entsteht ein Gefühl ständiger Bedrohung: Hank ist auf sich allein gestellt, gehetzt, orientierungslos, während sich die Stadt um ihn herum wie ein Labyrinth aus Gefahren entfaltet. Trotz der Bedrohung bleibt die Erzählung präzise, die Szenen überladen nicht, sondern schaffen eine dichte Mischung aus Spannung, urbanem Flair und emotionalem Puls, die den Zuschauer tief in Hanks Perspektive hineinzieht.

Die Enthüllung von Russ' Hintergrundgeschichte fügt der Handlung eine neue, tiefere Ebene hinzu. Die Beweggründe der Figuren bleiben dabei stets nachvollziehbar: Schuld, Versagen, Überleben und die Suche nach Selbstvergebung durchziehen die Geschichte wie ein roter Faden. Besonders auffällig ist Russ' Katze, die Hank während des gesamten Films begleitet. Sie übernimmt mehrere Funktionen gleichzeitig: mal stille Beobachterin, mal skurriles, humorvolles Element, mal emotionaler Anker, der selbst in den chaotischsten Momenten eine greifbare Verbindung zu Hanks innerer Welt bietet. Auf subtile Weise trägt sie dazu bei, dass die Spannung, die Dramatik und die leisen Momente gleichermaßen wirken und die Erzählung emotional verdichtet wird.

Darren Aronofsky vereint all diese Elemente zu einem Werk, das stilistisch überdreht und gleichzeitig emotional unverfälscht wirkt. Die Kombination aus Noir, gnadenloser Gewalt, schwarzem Humor und tiefem Charakterdrama wirkt niemals beliebig, sondern trägt seine unverkennbare Handschrift auf jeder Ebene. Jede Szene, jeder Schnitt, jede Kameraeinstellung ist sorgfältig komponiert, um die Spannung und Intensität aufrechtzuerhalten, selbst in Momenten, die absurd oder überzeichnet erscheinen. "Caught Stealing" ist wild, exzessiv, manchmal sperrig und fordert den Zuschauer heraus, zugleich aber stets kontrolliert in seinem Chaos und konsequent in der Darstellung von Emotionen, Konflikten und der düsteren Energie der Stadt.

Das Ende mag weniger kraftvoll erscheinen als der wilde Weg dorthin, doch es fügt sich stimmig in Hanks Entwicklung ein. Es zeigt einen Mann, der im Lärm, in der Hektik und der Unberechenbarkeit der Stadt seine Vergangenheit nicht länger verdrängen kann, der sich ihr stellen muss und sie schließlich in gewisser Weise akzeptiert. In diesem Moment wird deutlich, dass es nicht um triumphale Siege oder einfache Lösungen geht, sondern um die kleinen, oft schmerzhaften Schritte der Selbstfindung, die den Film trotz aller Gewalt und absurden Wendungen emotional tragfähig machen.

Kurzfazit: "Caught Stealing" ist ein wütendes, bitterkomisches und zugleich erstaunlich berührendes Gangsterchaos, das wie ein verlorener 90er-Jahre Film wirkt und dennoch unverkennbar Darren Aronofsky bleibt. Brutal, stilistisch präzise und emotional greifbar, entfaltet der Film seine Wirkung durch das geschickte Spiel zwischen schwarzem Humor, gnadenloser Gewalt und den verletzlichen Momenten seiner Figuren. Jede Szene steckt voller Energie, jede Wendung ist unberechenbar, und selbst in den extremsten Momenten bleibt die Menschlichkeit der Charaktere spürbar. Ein gewagtes, energiegeladenes Werk, das Härte und Herz in einer kompromisslosen Mischung vereint und lange nachwirkt.

 

"Caught Stealing" ist ab dem 27. November 2025 auf Blu-ray und DVD erhältlich - veröffentlicht von PLAION PICTURES

Kommentare