"Keeper" beginnt wie ein ruhiger Wochenendtrip in eine abgelegene Waldhütte, und verwandelt sich schon bald in ein klaustrophobisches Psychospiel aus Visionen, Misstrauen und unterschwelliger Bedrohung. Osgood Perkins knüpft stilistisch an "Longlegs" an, verzichtet auf große Schauplätze und legt den Horror dorthin, wo er am stärksten wirkt: in die Wahrnehmung seiner Hauptfigur Liz. Ein intensiver, verstörender und visuell herausragender Horrorfilm, der seine Antworten lange zurückhält und am Ende mit voller Wucht zuschlägt.
Osgood Perkins kehrt mit "Keeper" zu jenem subtilen, vielschichtigen Horror zurück, der ihn einst bekannt machte: ruhig, ungemütlich und psychologisch intensiv. Nach dem durchwachsenen "The Monkey" und dem viel diskutierten "Longlegs" ist sein neuer Film ein Kammerspiel der Isolation, das sich auf Atmosphäre, Subtext und ein Gefühl des Kontrollverlustes stützt. Der Film beginnt mit einer eindrucksvollen Montage verschiedener Frauen aus unterschiedlichen Zeiten: lachend, verführerisch, später panisch und blutüberströmt. Ein surrealer Prolog, der den Zuschauer sofort verunsichert und die Frage aufwirft, welche dunklen Mächte sich hinter diesen Bildern verbergen. Erst viel später im Film entfaltet diese Sequenz ihre volle Bedeutung.
Danach steht das zentrale Paar im Fokus: Liz (Tatiana Maslany) und Malcolm (Rossif Sutherland) wollen ihr einjähriges Jubiläum in Malcolms abgelegenem Waldhaus feiern. Der Einstieg ist gedämpft, fast idyllisch, ein klarer Kontrast zu den verstörenden Bildern des Vorspanns. Perkins lässt seine Figuren langsam im Haus ankommen, das durch offene Architektur, große Fensterfronten und die ständige Präsenz des Waldes sowohl einladend als auch bedrohlich wirkt. Das Sounddesign trägt wesentlich zur Wirkung bei: leises Vogelgezwitscher, Wind, das Knarren des Holzes schaffen eine hypnotische, aber unheimliche Grundstimmung. Die Kameraarbeit ist zurückhaltend und fließend, nistet sich im Raum ein, statt ihn zu dominieren. Ein Stil, der Perkins’ Handschrift trägt und Erinnerungen an "Longlegs" weckt.
Früh setzt der Film erste Irritationen: ein mysteriöses Paket auf dem Küchentisch, dessen Inhalt, ein Schokoladenkuchen, zunächst harmlos wirkt. Liz hasst Schokolade, probiert sie jedoch, was bereits die subtile Manipulation durch das Haus und die Situation andeutet. Als Malcolms Cousin Darren (Birkett Turton) mit seiner Freundin Minka (Eden Weiss) auftaucht, kippt die Ruhe. Darren ist laut, herablassend und übergriffig; Liz’ Distanz zu ihm ist spürbar. In der Nacht entwickelt Liz eine Zwangshandlung, die sie wie ferngesteuert zum Kuchen zurückführt. Die Szene, in der sie den Rest mit bloßen Händen verschlingt, ist abstoßend und faszinierend zugleich und markiert den Übergang vom ruhigen Beginn zum Psycho-Horror.
Von da an löst sich "Keeper" zunehmend von der Realität. Minka verschwindet im Wald, Liz hat Visionen, die sowohl unheimlich als auch intim wirken. Sie hört Stimmen, sieht Gestalten und immer bleibt offen, ob es sich um übernatürliche Erscheinungen, psychische Zersetzung oder reale Bedrohung handelt. Als Malcolm wegen eines medizinischen Notfalls kurz das Haus verlässt, wird Liz’ Paranoia verstärkt: Sie findet ein mysteriöses Foto von Malcolm mit einer anderen Frau. Die Fragen nach Loyalität, Vertrauen und Kontrolle eskalieren. Perkins nutzt geschickt das klassische Stilmittel des unzuverlässigen Erzählers, sodass der Zuschauer stets zwischen Realität und Einbildung schwankt.
Die visuelle Umsetzung trägt entscheidend zur Wirkung bei. Jeremy Cox nutzt Fensterfronten, Schatten und Perspektiven, um das Haus sowohl als sichere Hülle als auch als Gefängnis wirken zu lassen. Liz kann nach draußen blicken, ist aber gleichzeitig potenziell beobachtbar. Jede Einstellung, jeder Kameraschwenk unterstreicht die psychologische Spannung. Licht und Dunkelheit, Schärfe und Unschärfe erzeugen permanente Unsicherheit, während praktische Effekte, von der detailreichen Inszenierung des Kuchens bis zu subtilen Bluteffekten, präzise eingesetzt werden und den Horror verstärken, ohne je plakativ zu wirken. Dezent eingesetzte Musik untermalt Szenen ohne Dominanz, während Geräusche des Waldes, Knarren des Holzes und leise Hintergrundsummen ein immersives Klangbild schaffen. Perkins zeigt erneut, dass Schrecken nicht aus Jumpscares entsteht, sondern aus der geschickten Verbindung von Bild, Ton und schleichender Bedrohung.
Tatiana Maslany trägt die Intensität des Films mit beeindruckender Präzision. Sie vermittelt Liz’ Verzweiflung, Paranoia und innere Zerrissenheit durch kleine Gesten, Blicke und stille Momente. Rossif Sutherland bleibt ambivalent: Malcolm wirkt zunächst verlässlich, doch sein Verhalten wirft kontinuierlich Zweifel auf. Das Zusammenspiel der beiden Figuren ist essenziell: Ihre Beziehung wird zum Prüfstein für Vertrauen, Kontrolle und psychische Belastbarkeit.
Thematisch geht "Keeper" über klassischen Horror hinaus. Der Film setzt sich mit Machtverhältnissen in Partnerschaften, patriarchalen Strukturen und der Unsicherheit auseinander, ob man den Menschen an seiner Seite jemals wirklich kennen kann. Jede Wendung, das mysteriöse Paket, Darrens Verhalten und Liz’ Visionen, steigert die psychologische Intensität und fordert das Publikum aktiv heraus.
Gegen Ende nimmt der Film nochmals Fahrt auf: Subtil aufgebautes Unbehagen findet seine unheilvolle Auflösung, wobei nicht alle Fragen beantwortet werden. Eine überraschende Wendung, die man nicht erwartet, offenbart die wahre Bedrohung im Haus und wirft die zuvor aufgebaute Spannung in ein völlig neues Licht. Die Ereignisse im Prolog und der mysteriöse Kuchen erhalten so narrative Relevanz, und die letzte halbe Stunde steigert sich zu einem fiebrigen, visuell eindringlichen Psycho-Drama, das lange nachwirkt. Technisch ist der Film stark: Kostüme, Effekte und sorgfältige Bildkompositionen sind exzellent. Jumpscares fehlen weitgehend; die Spannung entsteht aus der psychologischen Belastung und der unheilvollen Atmosphäre.
"Keeper" ist kein einfacher Horrorfilm. Er ist langsam, düster, voller psychologischer Verwerfungen und Uneindeutigkeiten. Kritiker mögen das erzählerisch vage oder langsam finden, doch genau hierin liegt seine Stärke: ein konsequent atmosphärisches Albtraum-Kino, das weniger auf Schock, sondern auf emotionale und visuelle Belastung setzt. Ohne Maslanys herausragendes Spiel wäre die Wirkung des Films undenkbar.
Kurzfazit: "Keeper" ist ein intensiver Psycho-Horror, der weniger auf Jumpscares, sondern auf subtile psychologische Verstörung setzt. Osgood Perkins kombiniert eindringliche Bildkompositionen, ein stimmiges Sounddesign und herausragende Darstellerleistungen zu einem hypnotischen, beklemmenden Kinoerlebnis, das lange nachwirkt. Atmosphärisch, clever konstruiert und emotional verstörend ist "Keeper" ein Horrorfilm für Zuschauer, die über den reinen Schreck hinausdenken wollen.
"Keeper" startet ab dem 20. November 2025 in den deutschen Kinos - präsentiert von DCM Filmdistribution

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