Andreas Prochaska meldet sich mit einem Horrorfilm zurück, der weniger auf laute Schocks als auf schleichendes Unbehagen setzt, und den Zuschauer schon mit seinem ersten Bild in eine Gefühlswelt aus Nebel, verzerrten Erinnerungen und unterschwelliger Bedrohung zieht. Was folgt, ist ein psychologisch durchdrungenes Kammerspiel. Es schiebt sich tastend, fast unmerklich in den Kopf, bis jeder Blick, jedes Atmen und jedes Geräusch eine unheilvolle Doppeldeutigkeit bekommt.
Der Einstieg in "Welcome Home Baby" ist verstörend und hypnotisch: geheimnisvolle Klänge, diffuse Bilder, ein Wald, der mehr verschluckt als offenbart. Eine Szene, die sich wie eine rituelle Beschwörung anfühlt, eröffnet den Film mit einer Wucht, die den Ton für alles Kommende setzt. Visuell beeindruckend, emotional undurchsichtig, atmosphärisch dicht und von einer stillen Bedrohung durchzogen entfaltet der Auftakt eine Wirkung, die langanhaltend wirkt. Von der ersten Sekunde an wird klar, dass hier nichts sicher ist und jedes Bild mehr bedeutet, als es auf den ersten Blick zu erkennen gibt.
Kurz darauf verlagert sich der Film in die nüchterne Realität einer Notärztin: Judith (Julia Franz Richter), wird mitten im Einsatz mit dem Tod ihres Vaters konfrontiert. Ihr Weg führt sie in ein abgelegenes Dorf in Österreich, in dem sie das geerbte Haus ihres Vaters übernehmen soll. Schon die Ankunft lässt erahnen, dass dieser Ort einen nicht so leicht gehen lässt. Reservierungen verschwinden, Türen stehen offen, Gesichter scheinen sie zu kennen, bevor sie sich selbst erinnert hat. Die Dialoge bleiben zurückhaltend, fast scheu. "Welcome Home Baby" lässt Stille sprechen, lässt Räume wirken, lässt Blicke länger ruhen, als angenehm ist.
Die Begegnungen mit "Tante Paula" (Gerti Drassl) und den übrigen Dorfbewohnerinnen verleiht der Geschichte eine rätselhafte Wärme, die zugleich bedrohlich wirkt. Alle behandeln Judith, als sei sie nie fortgewesen, als wäre sie genau an ihren Platz zurückgekehrt. Die Vergangenheit wird in undurchsichtigen Fragmenten angedeutet, die Stimmung schwingt zwischen familiärer Fürsorge und sektenhafter Vereinnahmung. Nichts ist klar, alles scheint möglich. "Welcome Home Baby" fordert volle Aufmerksamkeit und entzieht sich einfachen Deutungen. Andreas Prochaska erklärt wenig, er lässt die Dinge geschehen und vertraut darauf, dass das Unausgesprochene am stärksten wirkt.
Judiths Visionen gewinnen an Kraft, je näher sie dem Wasser, dem Wald und den Überresten ihrer Kindheit kommt. In diesen Momenten entfaltet der Film einige seiner stärksten Bilder: schwebend, traumartig, beunruhigend. Erinnerungen und Realität beginnen zu verschmelzen, bis sie kaum noch voneinander zu trennen sind. Was Judith sieht, fühlt sich zugleich fremd und vertraut an, wie ein lang verschüttetes Trauma, das sich unaufhaltsam seinen Weg an die Oberfläche bahnt. Die Kamera bleibt dicht an ihr, folgt jeder Bewegung, und nimmt dem Publikum bewusst jede Distanz. Jede Vision, jedes Flackern im Bild, jede Irritation wird zu einem Erlebnis, das eher gespürt als verstanden wird.
Die Dorfgemeinschaft wirkt zunehmend wie ein in sich geschlossener Organismus. Die Frauen stellen Forderungen, sind plötzlich überall, drängen sich in Judiths Leben wie selbstverständlich hinein. Die Grenzen zwischen Hilfe, Erwartungen und Kontrolle verwischen. Gleichzeitig verändert sich Ryan (Reinout Scholten van Aschat), ihr Partner, auf irritierende Weise. Der Film entwirft ein Geflecht aus Andeutungen, das Judith isoliert und den Zuschauer in denselben paranoiden Strudel zieht wie seine Hauptfigur. Szenen, Blicke und Gespräch hinterlassen Fragen, keine Antworten und verstärkt das Gefühl, dass man nie ganz sicher sein kann, was Realität ist und was Einbildung.
Als Judith in Erinnerungen an ihre Mutter eintaucht und immer tiefer in die kollektive Geschichte des Dorfes verstrickt wird, entfaltet "Welcome Home Baby" seine volle Kraft. Themen wie Herkunft, Schuld, Ablehnung und psychische Narben schimmern in der Inszenierung durch, ohne jemals explizit erklärt oder kommentiert zu werden. Jede Szene wirkt sorgfältig inszeniert und trägt zur Atmosphäre aus Bedrohung und Beklemmung bei. Der Horror beginnt im Inneren, subtil und psychologisch, und steigert sich langsam zu einem drückenden Gefühl, das sich in wiederkehrenden Motiven von Wasser, Geburt, Kindheit und Wiederkehr zeigt und die Zuschauer ebenso gefangen nimmt wie die Protagonistin.
Die Inszenierung ist durchweg hochwertig: großartige Kameraarbeit, ein gekonnter Einsatz von Licht, Schatten und Farbgestaltung, sowie ein eindringliches, stimmungsvolles Sounddesign, dass die Spannung subtil trägt. Auch das Schauspiel überzeugt auf ganzer Linie: Allen voran Julia Franz Richter, die Judiths innere Zerrissenheit, ihre Verunsicherung und wachsende Angst mit leiser Intensität und glaubhafter Präsenz trägt. Gerti Drassl und Maria Hofstätter verleihen dem Film eine einzigartige Mischung aus Herzlichkeit, rätselhafter Tiefe und unterschwelligem Unbehagen, die das Geschehen prägt und die Atmosphäre ebenso intensiv formt wie die Inszenierung selbst. Selbst die Nebenfiguren fügen sich stimmig ein und lassen das Dorf zu einem eigenständigen, beinahe lebendigen Charakter werden.
Andreas Prochaska lehnt sich an moderne Horrortraditionen an, ohne sie einfach zu kopieren. Der konzentrierte Bildaufbau erinnert an neuere amerikanische Genreproduktionen, während die sanft brodelnde Dorfatmosphäre zeitweise an "Midsommar" denken lässt. Doch "Welcome Home Baby" bleibt letztlich etwas Eigenes: ein klassischer, effektiv erzählter Psychoterrorfilm, der Stimmung über Erklärung stellt und seine Wirkung stark aus der Ambivalenz zieht.
Zum Ende hin steigert sich der Film in eine Reihe verstörender, intensiv inszenierter Momente, die das zuvor aufgebaute Unbehagen endgültig zum Überlaufen bringen. Nicht alles wird beantwortet, nicht alles aufgelöst, aber der emotionale Kern bleibt klar erkennbar: ein Horror, der aus verletzter Vergangenheit, ungelösten Schuldgefühlen und erdrückender Erwartung entsteht. Selbst in den stillen Momenten bleibt die Spannung spürbar, die Bilder brennen sich ins Gedächtnis ein und lassen das Erlebnis lange nachhallen.
Kurzfazit: "Welcome Home Baby" ist ein atmosphärisch dichtes, visuell beeindruckendes und psychologisch drückendes Horrordrama, das sich weigert, einfache Wege zu gehen. Ein Film, der fordert, irritiert und nachhaltig beschäftigt, der mit verstörenden Bildern, ruhige Sequenzen und unterschwellige Bedrohung arbeitet und eindrucksvoll zeigt, dass manche Orte, Erinnerungen und Traumata einen ein Leben lang begleiten und nie ganz loslassen.
"Welcome Home Baby" startet ab dem 27. November 2025 in den deutschen Kinos

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