"U Are the Universe" - Einsamkeit im All


Pawlo Ostrikow gelingt mit "U Are the Universe" eine leise, aber eindringliche Science-Fiction-Romanze, die mit minimalistischer Präzision, feinem Humor und überraschender emotionaler Wucht von Einsamkeit, Nähe und der Sehnsucht nach Verbindung erzählt. In seinem sorgfältig komponierten Kammerspiel treffen technologische Utopie auf zutiefst menschliche Bedürfnisse, während sich zwischen Isolation und kosmischer Stille ein Raum öffnet, in dem große Gefühle auf kleinem Raum entstehen dürfen. Ein Film, der nicht laut werden muss, um zu treffen, und dessen zärtliche Melancholie lange nachhallt.

 

Schon in den ersten Minuten macht "U Are the Universe" deutlich, dass er sich bewusst von gängigen Genre-Konventionen löst. Statt eines erwartbaren Blick ins All eröffnet der Film mit einem fiktiven Werbespot für ein Unternehmen, das radioaktiven Müll auf fremden Planeten entsorgt. Dieser augenzwinkernde Mini-Film im Film verankert die Erzählung spielerisch in ihrer Zukunftswelt und setzt zugleich den ironisch-poetischen Grundton, der den gesamten Film durchzieht. Kaum ist die sterile Werbeästhetik verflogen, wechselt Regisseur Pawlo Ostrikow abrupt die Stimmung: Wir befinden uns im engen, funktionalen Inneren eines Raumschiffs, ein Ort, der zugleich Arbeitsstätte, Lebensraum und emotionale Druckkammer ist. Hier begleitet ukrainische Musik den Alltag von Andriy Melnyk, verkörpert von Wolodymyr Krawtschuk, und markiert den ersten leisen Nachhall jener Melancholie, die sich nach und nach in die Erzählung schiebt. 

Andriy ist allein, seit Jahren unterwegs, ein Raumfahrer wider Willen, dessen Tage sich in routinierte Handgriffe und Gespräche mit seinem einzigen Begleiter auflösen: dem sprechenden Bordcomputer Maxim. Zwischen sanften Witzen, kleinen Sticheleien und beinahe banalen Alltagsdialogen entsteht ein stilles, fast meditatives Kammerspiel im All. Die Kamera beobachtet Andriy mit unaufgeregter Präzision, fängt die Schwere seiner Einsamkeit in jeder Bewegung ein und verwandelt das enge Raumschiff in die Bühne eines leisen, inneren Dramas. Doch eine einzige Information lässt diese fragile Normalität schlagartig zerbrechen: Maxim verkündet, dass die Erde explodiert ist. Kein Zuhause mehr. Keine Menschheit. Kein Zurück.

Ostrikow inszeniert diesen Offenbarungsmoment ohne jeden Anflug von Pathos, fast beiläufig, und gerade deshalb entfaltet es eine umso größere Wucht. Von diesem Augenblick an treibt Andriy im wortwörtlichen Nichts, und die Stille des Alls spiegelt die Stille eines Menschen, der sich plötzlich im Zentrum eines Universums wiederfindet, das nur noch aus ihm selbst besteht.

Doch dann erreicht ihn eine Stimme. Eine Fremde. Catherine. Französisch, ruhig, seltsam vertraut. Sie sitzt in einer Wetterstation nahe des Saturn fest, ebenso verloren, ebenso ohne Hoffnung auf Rettung. Was als zufälliger Funkspruch beginnt, verwandelt sich langsam in eine behutsame Annäherung zweier Menschen, die einander nie gesehen haben und vielleicht nie sehen werden. Der Film bleibt seinem gedämpften Tempo treu und lässt die Geschichte zwischen Andriy und Catherine wachsen wie zarte Pflanzen in einer unwirtlichen Umgebung. Aus Gleichgüligkeit entsteht Neugier, aus Neugier Vertrautheit, und schließlich etwas, das sich gefährlich nah an Liebe heranschiebt.

Zwischen all dem drängt sich Maxim in die entstehende Beziehung, nicht nur als technischer Begleiter, sondern mit einer Art künstlicher Eifersucht, die zugleich tragisch, komisch und überraschend menschlich wirkt. Ostrikow spielt dabei feinfühlig mit den Grenzen zwischen Mensch und Maschine, zwischen Nähe und Projektion, zwischen Zuneigung und Abhängigkeit. Je tiefer Andriy in seine Gefühle hineingezogen wird, desto stärker verliert Maxim die Rolle des einzigen Vertrauten, ein stiller, wirkungsvoller Kommentar über Isolation und die fragile Natur menschlicher Verbindung.

Visuell bleibt der Film durchgehend bemerkenswert stark. Die Außenaufnahmen des Weltalls wirken, gerade im Hinblick auf das geringe Budget, überraschend hochwertig und atmosphärisch dicht. Lichtsetzung, kühle Blau- und Grautöne sowie das zurückhaltende Produktionsdesign formen eine Welt, die funktional, futuristisch und zugleich emotional unterkühlt erscheint. Jede Einstellung ist präzise komponiert, jeder Blick ins Dunkel trägt Gewicht. Immer wieder prallt die unendliche Weite des Alls auf die klaustrophobische Enge des Raumschiffs und wird so zu einem treffenden Spiegel für Andriys inneren Zustand.

Wenn Andriy schließlich versucht, Catherine zu erreichen, riskiert er nicht nur sein Leben, sondern nimmt auch die Beschädigungen seines Schiffs in Kauf. Die emotionale Konsequenz dieser Entscheidung ist gewaltig: Catherine reagiert auf seine Offenheit überfordert, beinahe abweisend, und Andriy bleibt zurück mit einer Mischung aus verletzter Hoffnung und ernüchternder Klarheit. Ostrikow inszeniert diese Momente mit großer Feinfühligkeit. "U Are the Universe" verliert sich nie im Überdramatischen, sondern bleibt stets leise und verletzlich.

Doch Ostrikow gibt seine Figuren nicht auf. Eine spätere Wendung, überraschend und zugleich vollkommen folgerichtig, stellt die Beziehung zwischen Andriy und Catherine noch einmal neu auf und führt zu einem Schlussbild, das zugleich tragisch, schön und unausweichlich wirkt. Es ist ein letzter Blick, der sich festsetzt, leise nachklingt und lange im Gedächtnis bleibt. 

Thematisch verwebt der Film Einsamkeit, Sehnsucht und das Ringen um Identität zu einer leisen Meditation über die Frage, ob man selbst im dunkelsten Winkel des Universums noch ein Funke Nähe aufglimmen kann. Wie in "Her" spielt die Entstehung von Verbundenheit ohne physische Präsenz eine wesentliche Rolle, doch "U Are the Universe" findet seine ganz eigene melancholische Färbung, weniger technologisch, dafür unmittelbarer und geerdeter. 

Wolodymyr Krawtschuk tägt den Film nahezu im Alleingang und liefert eine beeindruckend nuancierte, entwaffnend ehrliche Performance. Seine Müdigkeit, seine Zurückhaltung und die leisen Momente verletzlicher Offenheit formen das Porträt eines Mannes, der schlicht versucht, mit dem Rest einer Welt weiterzuleben, die nicht mehr existiert. Catherine wiederum entfaltet, obwohl nur als Stimme präsent, eine erstaunliche Tiefe und emotionale Resonanz. Und Maxim, quirlig, humorvoll und gelegentlich eifersüchtig, fügt der Enge des Raumschiffs eine warme, beinahe vertraute Dynamik hinzu.

Am Ende bleibt ein Film, der seine Science-Fiction-Hülle nicht als Effektmaschine nutzt, sondern als Spiegel für das zutiefst Menschliche. Kein spektakuläres Weltraumabenteuer, sondern ein stilles, intensives Drama über Nähe im Angesicht der Leere, über das, was Menschen zusammenhält, wenn um sie herum nichts mehr sicher scheint. Mit viel Herz, feinem Humor und bemerkenswertem Charme entfaltet der Film eine Wirkung, die lange nachhallt. Er zeigt, dass die größten Emotionen nicht in gewaltigen Bildern entstehen, sondern in den kleinsten Räumen, in Momenten, in denen zwei Figuren einfach echt sind. Ein leiser, aber eindrucksvoller Beweis dafür, dass gute Science-Fiction nicht von der Zukunft erzählt, sondern von uns. 

Kurzfazit: "U Are the Universe" ist ein stiller, außergewöhnlich feinfühliger Science-Fiction-Geheimtipp aus der Ukraine, der seine futuristische Oberfläche nutzt, um eine zutiefst menschliche Geschichte zu erzählen. Mit leiser Ironie, warmem Humor und einer beeindruckenden emotionalen Präzision erforscht der Film, wie Nähe entstehen kann, selbst wenn Menschen durch Raum, Technik oder ihre eigenen inneren Abgründe voneinander getrennt sind. "U Are the Universe" ist damit nicht nur ein intimes Charakterdrama, sondern auch ein bewegendes Plädoyer für das, was uns trotz aller Dunkelheit zusammenhält. 

 


 

"U Are the Universe" erscheint am 05. Dezember 2025 auf Blu-ray bei Pandastorm Pictures. 

Die Veröffentlichung enthält exklusive Interviews und einen Blick hinter die Kulissen.

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